Dienstag, 18. August 2009

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Susanne Iden zu Obama
Obamas Kampf

Am Mittwoch ist in Hagerstown im US-Bundesstaat Maryland ein Mann verhaftet worden, der zur Ermordung des Präsidenten aufgerufen hat. „Tod für Obama“, forderte er und „Tod für Michelle und ihre beiden dummen Kinder“. Das Plakat hat der Mann bei einer Versammlung hochgehalten, um gegen die geplante Gesundheitsreform zu protestieren.

Der Demonstrant von Hagerstown ist zu weit gegangen. Aber er ist nicht allein. Auf den Straßen Amerikas tragen wütende Männer und Frauen, geschützt durch das geheiligte Prinzip der Meinungsfreiheit, Plakate herum, auf denen Barack Obama mit Hitler-Bärtchen verunziert ist, dazu der Spruch: „Obamas Todeskomitee will deine Oma sterben lassen.“ In Bürgerforen zum Thema Reform werden Kongressabgeordnete niedergebrüllt und mit Eiern beworfen. Das Publikum liefert sich derweil Schreiwettbewerbe und ausgewachsene Faustkämpfe.

Amerika leistet sich einen Kulturkampf, wie ihn das Land seit Beginn des Irak-Kriegs nicht gesehen hat. Der Streit um die Gesundheitsreform hat genug Format, Obamas Irak zu werden – und dem eben noch als Lichtgestalt Gefeierten politisch das Genick zu brechen.

Die Schwachstelle der Supermacht

Dabei wollen der Präsident und seine Partei nur eine der größten Schwachstellen Amerikas reparieren. 47 Millionen unversicherte Menschen, und das im teuersten Gesundheitssystem der Welt, finden die Demokraten, sind wirtschaftlich Schwachsinn. Das klingt einleuchtend. Für eine knappe Mehrheit der Amerikaner ist es das auch. Für einen Großteil aber nicht. Diesen Großteil hat das Team Obama in seinen Kalkulationen vernachlässigt – der erste große Fehler des Mannes, der sonst ein fast traumwandlerisches Gespür für Stimmungen hat.

Der Kampf findet an zwei Fronten statt: der inhaltlichen und der demagogischen. Auf der inhaltlichen Seite steht das tiefe Misstrauen aller Amerikaner gegen staatliche Bevormundung. Die Details der 1220 Vorschläge für das Gesetzesvorhaben sind ihnen unbekannt und egal. Entscheidend ist, dass die Reform eine Versicherungspflicht und ein Versicherungsrecht für alle vorsieht – und damit unamerikanisch viel Staat in die vermeintliche Privatangelegenheit Vorsorge hineinbringt.

Auf der inhaltlichen Seite steht auch die Angst, ein fiskalisches Megavorhaben mitten in der Rezession in Gang zu setzen. Denn wenn die Reform durchkommt, werden die aus Steuergeldern finanzierten Gesundheitsausgaben ab 2015 dauerhaft steigen – und dem jetzigen Defizit 1000 zusätzliche Milliarden hinzufügen. Es gibt also, neben Vorurteilen der Uninformierten, auch veritable Bedenken.

Deshalb ziehen der Präsident und die Abgeordneten während der Kongressferien durchs Land und versuchen, das Vorhaben zu erklären. Sie dringen nicht durch. Zu viele Menschen sind bereits zutiefst verunsichert. Die Regierung ist nicht ganz unschuldig daran.

Neue Botschaft: Er kann es nicht

Den entscheidenden Fehler hat Obama begangen, als er die Verantwortung abgab. Der Präsident, auf dem Höhepunkt seiner internationalen Strahlkraft, war für die großen Reden zuständig, für das Verkaufen der Idee. Den Auftrag zur Erarbeitung des Gesetzentwurfs aber hat er an den Kongress weitergereicht. Aus beiden Parteien quoll ein Wust an Vorschlägen, an Unvereinbarem und Undurchsetzbarem. Mit der Folge, dass sich Obama nun doch auf ein Thema konzentrieren muss, mit dem er beim Publikum nicht mehr punkten kann – statt sich um die größte Sorge der Amerikaner, die Wirtschaftskrise, zu kümmern. Die Zahl der Pleitefirmen steigt genauso wie die der Arbeitslosen und jener Menschen, die auf Lebensmittelhilfe angewiesen sind.

In dieser Situation wittern nicht nur Versicherungs- und Pharmaindustrie, die um ihre Pfründe fürchten, sondern auch die oppositionellen Republikaner ihre Chance. Einträchtig heizen sie die Stimmung demagogisch auf, mit abenteuerlichen Gerüchten über angebliche Gremien zum Beispiel, die über die weitere Behandlung schwer Kranker und Behinderter entscheiden sollen. Aber auch mit der zurzeit schwer widerlegbaren Behauptung: Er kann es nicht.

Tatsächlich ist der Präsident jetzt in der Hand seiner Partei. Schaffen es die Demokraten nicht, sich innerparteilich auf eine Linie zu einigen, haben sie Obama schon vor dem Ende seines ersten Amtsjahrs demontiert. Schaffen sie einen abgespeckten Kompromiss, kann Obama immerhin behaupten, er habe die Lager versöhnt. Darauf scheint sich das Weiße Haus als bestes Szenario für den Herbst einzurichten. Ein bescheidener Anspruch für einen, der auszog, Amerika zu verändern.

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